Wann ist ein Stromschlag besonders gefährlich ? Wie sollten Sie sich nach einem Stromunfall mit schwerem Stromschlag verhalten und weitere wichtige Verhaltensregeln um Unfälle mit Strom zu vermeiden erklären wir Ihnen in diesem Blogartikel.
Ein Stromschlag oder ein Stromunfall bzw. Elektrounfall wie er von Experten genannt wird, ist glücklicherweise ein relativ seltenes Unfallereignis, im Vergleich zu anderen Arten von Unfällen, wie beispielsweise Autounfällen. So ereignen sich in Deutschland jährlich 300.000 Autounfälle. Die Zahl der Stromunfälle, mit einem gefährlichen Stromschlag, ist demgegenüber mit rund 3000 Fällen in den letzten Jahren nur einen Bruchteil so hoch. Die Unfälle mit tödlichem Stromschag fallen jedoch mit 3% bei Niederspannungsunfällen und sogar 30% bei Hochspannungsunfällen deutlich höher aus, als tödliche Unglücke im Straßenverkehr, die hier nur 1% ausmachen.
Eine gute Nachricht ist, dass die Zahl der Stromunfälle im historischen Verlauf, stetig sinkt, wie in nachfolgendem Diagramm zu sehen ist.
Vor allem Stromunfälle im gewerblichen Sektor sind am stärksten rückläufig. Das engmaschige Netz von Maßnahmen im Bereich der elektrischen Betriebssicherheit hat die Situation hier im Laufe der letzten Jahre deutlich verbessert. Grundsätzlich liegt das Risiko für Männer einen Stromschlag zu erleiden aus statistischer Sicht, um den Faktor fünf höher, als ein elektrischer Schlag bei Frauen.
Stromschlag: Der Faktor Mensch
Leider können auch perfekt geprüfte und zertifizierte Anlagen nicht die Konsequenzen verhindern, die unüberlegtes Verhalten menschlicher Akteure nach sich ziehen.
Ein weiterer Blick in die Statistik fördert diese Problematik schnell zu Tage. Betrachtet man das Thema Stromunfall im Niederspannungsbereich, d.h. bis 1000 V, ist der Spitzenreiter der Unfallverursacher für einen Stromschlag, dass unbewusste Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen, gefolgt von Nicht-elektrotechnischen Arbeiten in der Nähe von unter Spannung stehenden Teilen. Darüber hinaus traurige 15 % in denen die wichtigste der 5 Sicherheitsregeln der Elektrotechnik schlicht ignoriert wird: Das Freischalten von unter Spannung stehenden Teilen. Es ist davon auszugehen, das vor allem elektrotechnische Laien hier besonders gefährdet sind. Es kann daher an dieser Stelle nur ausdrücklich appelliert werden alle relevanten Beteiligten über diese Regeln zu informieren und nachdrücklich aufzufordern diese Regeln einzuhalten, um so einfach vermeidbaren Stromschlägen vorzubeugen !
Einen Stromschlag vermeiden: Die fünf Sicherheitsregeln der Elektrotechnik:
Sehr gefährlich ist der Umgang mit stromführenden Bauteilen, wenn versehentlich oder gar absichtlich Wartungsarbeiten unter Spannung durchgeführt werden. Beachten Sie daher unbedingt die folgenden Regeln:
- Freischalten
- Gegen Wiedereinschalten sichern
- Spannungsfreiheit allpolig feststellen
- Erden und kurzschließen
- Benachbarte, unter Spannung stehende Teile abdecken oder abschranken
Als „Freischalten“ bezeichnet man das allpolige und allseitige Trennen einer elektrischen Anlage von spannungsführenden Teilen. Dies stellt die einfachste und gleichzeitig die wichtigste Maßnahme dar, einen Stromschlag zu vermeiden! In Deutschland, Österreich und in der Schweiz liegt die Spannungsgrenze bei 50 V Wechselspannung beziehungsweise 120 V Gleichspannung. Nach Feststellen der Spannungsfreiheit werden die Leiter und die Erdungsanlage mit kurzschlussfesten Erdungs- und Kurzschließvorrichtungen wie beispielsweise einer Erdungsstange miteinander verbunden. Dadurch wird bewirkt, dass bei irrtümlichem Einschalten die vorgeschalteten Überstromschutzeinrichtungen auslösen und dass sich parallel liegende Leitungen, wie beispielsweise bei Freileitungen, nicht durch die kapazitive Kopplung oder durch die Influenz atmosphärisch aufladen.
Einer Erhebung der Berufsgenossenschaft ETEM zufolge, wird bedauerlicherweise am häufigsten gegen diese erste und naheliegendste Regel verstoßen. Auf Platz zwei finden sich Verstöße gegen die dritte Regel. Die Spannungsfreiheit auch nach einer Abschaltung der fraglichen Anlage gesondert festzustellen ist deshalb notwendig, da auf diese Weise festgestellt wird, ob durch elektrische Geräte (z. B. Frequenzumrichter) noch Restspannung vorhanden ist oder sogar versehentlich die falsche Leitung freigeschaltet wurde.
Zuletzt ist das abschranken benachbarter unter Spannung stehender Teile vor allem für Hochspannungsanlagen relevant, da es hier nicht unbedingt zu einer direkten Berührung mit den Stromführenden Elementen kommen muss, um einen Stromschlag auszulösen.
Unfälle mit Stromschlag – Der private Sektor
Im privaten Bereich sind es vor allem Steckdosen, Kabel und Lampen, also Stromschläge im 230V Bereich, wenn es zu einem Stromunfall kommt. Oft ist auch hier eines der Hauptprobleme, das “Wartungs -” oder Bastelarbeiten an Geräten vorgenommen werden ohne die Stromzufuhr zu unterbrechen.
Der oft zitierte Klassiker: Die Kombination aus Fön und Badewanne machen lediglich 4% der Unfälle aus. Badewannen sind, zumindest in Neubauten normalerweise geerdet und außerdem gibt es natürlich Schutzschalter. Fällt der Fön tatsächlich ins Wasser, wird die Stromzufuhr automatisch unterbrochen. Gerade in Altbauten fehlen diese Sicherheitsmaßnahmen jedoch oft, deshalb gilt natürlich trotzdem erhöhte Vorsicht. Ein Elektrogerät gehört niemals in die Nähe von Wasser!
Warum ist ein Stromschlag so gefährlich
Die gefährlichsten Wirkungen eines Stromschlags, z.B. aus der Steckdose sind Herzkammerflimmern und tetanische Muskelkontraktionen. Wechselstrom ist hierbei deutlich gefährlicher als Gleichstrom, je nach Literatur um das Vier- bis Fünffache.
Herzkammerflimmern – Hauptursache für einen tödlichen Stromschlag
Herzkammerflimmern ist eine lebensbedrohliche pulslose Herzrhythmusstörung, bei der in den Herzkammern ungeordnete Erregungen ablaufen und der Herzmuskel sich nicht mehr geordnet kontrahiert. Es kommt zu kreisenden Erregungswellen, sodass der Herzmuskel nicht mehr koordiniert pumpt, sondern unkoordiniert mit hoher Frequenz zuckt – er „flimmert“. Die Pumpleistung des Herzens sinkt abrupt auf Null und es entsteht ein Kreislaufstillstand. Außerdem gilt: Je schneller ein Herz schlägt (bei körperlicher Arbeit), desto empfindlicher reagiert es auf den Stromfluss und desto eher kommt es zu einer Störung der normalen Reizbildung im Herzen mit Rhythmusstörungen bis hin zu Kammerflimmern und sofortigem Herzstillstand.
Die Therapie des Kammerflimmerns ist die sofortige Defibrillation. Dabei werden durch einen kurzen, starken (Gleich)Stromstoß alle Herzmuskelzellen gleichzeitig erregt, damit danach die Erregung auf normalem Wege vom Sinusknoten ausgehend erfolgen kann. Die Defibrillation ist die einzige erfolgversprechende Therapie des Kammerflimmerns. Je früher sie durchgeführt wird, umso höher sind die Erfolgschancen. Jede Minute ohne Defibrillation und ohne Herzdruckmassage verringert die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Wiederbelebung um ca. 10 %. Der Defibrillator war lange Zeit den Rettungssanitätern und Krankenhäusern vorbehalten. Inzwischen sind Defibrillatoren an vielen öffentlichen Plätzen, Flughäfen, U-Bahnhöfen und in Betrieben verfügbar. Im Notfall kann jeder Umstehende damit Hilfe leisten. Die modernen Geräte erkennen von selbst, wann und ob sie einen Schock abgeben müssen und leiten den Helfer genau an, was zu tun ist.
Tetanische Muskelkontraktionen – „Festhalten“ an unter Spannung stehenden Teilen
Tetanische Muskelkontraktionen sind durch elektrischen Strom bewirkte Muskelkontraktionen. An der Skelettmuskulatur werden durch niederfrequenten Wechselstrom schon ab einer Stärke von 10 Milliampere, manchmal sogar bereits ab 8 Milliampere (sog. Loslassschwelle) Kontraktionen ausgelöst, die aufgrund der stärkeren Ausbildung der Beugemuskeln gegenüber den Streckmuskeln zu einem „Festhalten“ an den unter Spannung stehenden Teilen und damit zu einer längeren Einwirkzeit führen können. Ab 30–50 Milliampere kann im Bereich des Brustkorbs eine Kontraktur, das heißt Anspannung der Atemmuskulatur und des Zwerchfells, auftreten und damit ein Atemstillstand für die Dauer des Stromflusses.
Die eben genannten Wirkungen sind deshalb so häufig, weil Nervenfasern und Blutgefäße im menschlichen Körper den geringsten Widerstand aufweisen. Die trockene menschliche Haut hat den höchsten Widerstand im menschlichen Körper.
Im Stromnetz für Haushalte mit Wechselstrom bei 50 Hz kann, abhängig vom Wirkungsbereich, bei einer Stromstärke ab ca. 50 mA und bei einer Einwirkdauer länger als einer Sekunde ein Herzkammerflimmern ausgelöst werden. Dabei ist der Stromweg maßgeblich mitentscheidend: fließt Strom im Bereich Brust-Rücken oder Brust-linke Hand, ist Herzkammerflimmern bereits bei 27 mA möglich. Wird Hand Richtung Fuß durchströmt, kann ab 40 mA mit Herzkammerflimmern gerechnet werden.
Stromschlag Steckdose – Der elektrische Widerstand des menschlichen Körpers
Die Frequenz des elektrischen Stroms aus der Steckdose ist mit 50 – 60 Hz leider ideal, um Herzkammerflimmern und Muskelkontraktionen auszulösen. Der elektrische Widerstand des menschlichen Körpers ist mit näherungsweise 1 kΩ bis 2,4 kΩ recht hoch, weil die äußere Hautschicht als Isolator wirkt. Die unter diesen Bedingungen durch den Körper fließenden Ströme erreichen nicht zwangsläufig die eben genannten Schwellenwerte. Dies ist der Grund warum bei Stromschlägen nicht immer lebensgefährliche Ströme durch den Körper fließen und so nicht jeder Stromschlag aus der Steckdose tödlich endet. Doch ist dieser Widerstand von sehr vielen Einflussfaktoren abhängig und kann vor allem bei nasser z.B. verschwitzter Haut und besonders bei Kindern drastisch kleiner ausfallen, so das sehr schnell lebensgefährliche Ströme durch den Körper des Betroffenen fließen können.
Stromunfall bei Hochspannung
Ein Unfall mit Hochspannung bewirkt demgegenüber hauptsächlich eine thermische Schädigung des Gewebes und äußert sich damit vor allem in Verbrennungen. Dies ist deswegen der Fall, weil die dabei wirkenden Stromstärken ein Vielfaches derer bei Niederspannungsunfällen betragen und zugleich sehr heiße Störlichtbögen auftreten, die unter Umständen den menschlichen Körper überbrücken können. Beispielsweise führt eine Annäherung an eine Hochspannungsleitung mit 30 Kilovolt, wie sie im Bereich von Mittelspannungsnetzen üblich sind, zu einem Lichtbogen und bei einem angenommenen Körperwiderstand von 5 kΩ fließt kurzzeitig ein Strom von etwa 6 Ampere (6000mA) durch den Körper. Dabei tritt eine thermische Leistung von rund 180 Kilowatt auf. Durch diese hohe Leistung kommt es in der Folge entsprechend zu massiven Verbrennungen. Dabei treten an den Ein- und Austrittstellen sogenannte Strommarken im Gewebe auf. Dies ist der Grund für die oben angesprochene weitaus größere Rate für Unfälle mit tödlichem Ausgang von ca. 30 %.
Erste Hilfe bei einem Stromunfall
Wie bei jedem Unfall ist auch bei einem Stromschlag wichtig die sogenannte Rettungskette zu befolgen.
Rettungskette:
- Absicherung, Eigenschutz
- Alarmierung
- Lebensrettende Sofortmaßnahmen
- Weitere notwendige Behandlungen
- Stabilisierung des Patienten,Transportfähigkeit
- Transport zum Krankenhaus
Absicherung – Stromzufuhr unterbrechen
Die erste unabdingbare Maßnahme ist, den Strom sofort zu unterbrechen. Ein Ersthelfer, der sich selbst in Gefahr bringt ist nicht mehr in der Lage, einem Verunglückten zu helfen. Bei Niederspannung kann eine Unterbrechung der Stromzuleitung direkt durch Herausziehen des Steckers oder Betätigung der Sicherung bzw. des Hauptschalters erfolgen. Ist das nicht sofort möglich, muss der Verunglückte durch einen nicht leitenden Gegenstand (z.B. trockene Holzlatte, Besenstiel) von den unter Spannung stehenden Teilen getrennt werden. Wichtig dabei ist sich dabei selbst isoliert aufzustellen (z.B. trockenes Brett, trockene Kleider, dicke Zeitung, Folie). Auch darf ansonsten nichts berührt werden. (z.B. Wand, Gestell, andere Helfer). Bei Hochspannung und bei Mittelspannung (über 1.000 Volt) ist durch den Ersthelfer grundsätzlich sofort der NOTRUF zu veranlassen und ggf. Fachpersonal herbeizurufen. Eine weitere Hilfeleistung kann erst nach dem Eingreifen von Fachpersonal (Freischalten des Anlagenteils) erfolgen. Keinesfalls darf sich der Helfer vorher dem Verunglückten nähern, oder ihn berühren, auch nicht mit isolierenden Hilfsmitteln! Es besteht akute LEBENSGEFAHR!
Alarmierung
Der zweite Schritt ist immer der Notruf. Bei einem Notruf muss grundsätzlich die Information „STROMUNFALL“ gemeldet werden. Hier sind die bekannten 5 W’s zu beachten:
- WO ist was passiert ? Notfallort, Straße, Ortsbeschreibung, markante Punkte
- WAS ist passiert ? Kurze Schilderung der Notfallsituation
- WIE VIELE Verletzte oder Erkrankte sind betroffen ?
- WELCHE Verletzungen bzw. Erkrankungen liegen vor? .. oder bei einem Brand
- WELCHEN UMFANG hat das Schadenereignis ?
- WARTEN auf Rückfragen
Lebensrettende Sofortmaßnahmen bei einem Stromschlag
Erst dann kann dazu übergegangen werden Lebensrettende Sofortmaßnahmen zu ergreifen. Hier sollte zuerst die Bewußtseinslage geprüft werden. (ansprechen, berühren) Wenn der Verunglückte bei Bewußtsein ist, wird er in die stabile Seitenlage gebracht, bis der Notarzt eintrifft.
Ist der Verunglückte bewußtlos müssen Atmung und Herzschlag überprüft werden. Je nachdem muss der Verunglückte nur beatmet werden oder eine Herz-Lungen-Massage eingeleitet werden.
Die ersten 4 min bei der Wiederbelebung sind entscheidend, dann wird ein Erfolg immer schneller unwahrscheinlicher .. nach 6 min ohne Sauerstoff wird das Gehirn bereits irreparabel geschädigt !
Für den Fall, das ein Defibrillator verfügbar ist, sollte dieser unbedingt zum Einsatz kommen!
Fazit
Auch perfekt gewartete und geprüfte Anlagen schützen nicht vor unüberlegtem und fahrlässigem Handeln. Die fünf Regeln der Elektrotechnik sind immer und überall zwingend einzuhalten. Im Schadensfall hat die Sicherung der Unfallstelle oberste Priorität. Die Stabilisierung des Herz Kreislaufsystems ist bei Stromunfällen von großer Bedeutung, da dem Betroffenen aufgrund der spezifischen Wirkungen des elektrischen Stromes auf den menschlichen Körper im Zweifelsfall nur sehr wenig Zeit bleibt. Wenn ein Defibrillator verfügbar ist sollte er ohne Zögern auch eingesetzt werden, wennn eine Person einen gefährlichen Stromschlag erlitten hat. Betriebe in denen viele Arbeiten an und in der Nähe von elektrischen Anlagen verrichtet werden, sollten unbedingt einen solchen zur Verfügung stellen. Vollautomatische Defibrillatoren sind auch für kleinere Betriebe durchaus erschwinglich und können sehr leicht Leben retten!
DPS – Das Prüfunternehmen – Wir sorgen für Ihre Sicherheit!
Weitere Informationen, um Elektrische Anlagen und Geräte rechtssicher, effizient und mit Mehrwert nach DGUV 3 zu prüfen finden Sie außerdem in unserem Wiki zur DGUV Vorschrift 3