Hoxhwasser

Die Bilder der Flutkatastrophe in Nordrhein Westfalen, Rheinland Pfalz und Bayern, die uns diesen Sommer erreicht haben, waren für viele Menschen schockierend und aufrüttelnd. Was in diesem Zusammenhang auf keinen Fall vergessen werden darf: Neben den Schäden, an der Bausubstanz, die im Zuge einer solchen Hochwasserkatastrophe entstehen, werden auch immer die elektrischen Anlagen durch Hochwasser stark in Mitleidenschaft gezogen.
In diesem Beitrag soll es deswegen darum gehen, was in einer akuten Hochwasser Gefahrensituation zu beachten ist und wie die Anlagen sachgemäß wieder in Betrieb genommen werden können.

Lebensgefahr durch Stromschlag – wenn Hausanschlusskasten oder Hauptverteiler unter Wasser stehen

Wenn der Keller eines Hauses wegen eines Unwetters oder auch durch einen Rohrbruch überflutet wurde, ist äußerste Vorsicht geboten. Oft sind durch das eingedrungene Wasser die wichtigsten Schutzeinrichtungen gegen elektrischen Schlag nicht mehr zuverlässig funktionstüchtig.
Derartig in Mitleidenschaft gezogene Räumlichkeiten dürfen keinesfalls betreten werden, wenn nicht vorher die beschädigten Anlagen abgeschaltet wurden. Eine solche Abschaltung wird bei großen Unwetterereignissen, in der Regel zeitnah, durch den Energieversorger vorgenommen. Bei Hochwasser von sehr großem Ausmaß, wie es diesen Sommer z.B. im Ahrtal auftrat, ist davon auszugehen, dass ein Fall von höherer Gewalt vorliegt. Die Netzbetreiber sind in einer derart extremen Situation von Ihrer Stromversorgungspflicht entbunden und entscheiden eigenständig, ob und wo die Stromversorgung aufrechterhalten werden kann und inwieweit großräumig Abschaltungen vorgenommen werden müssen. Hierbei stehen Sicherheitsaspekte selbstverständlich an erster Stelle, aber auch wirtschaftliche Erwägungen spielen dabei eine Rolle.
Doch Vorsicht: Nicht jeder Starkregen ist automatisch ein Fall von höherer Gewalt. Verlassen Sie sich daher nicht auf die Abschaltung der elektrischen Anlagen aus Eigeninitiative des Energieversorgers. Überschwemmte Gebäudeteile in denen sich elektrische Anlagen befinden müssen stets von Außen deaktiviert werden, bevor sie gefahrlos betreten werden können. Kontaktieren Sie also immer erst den zuständigen Energieversorger, der hier einzig eine vollständige Abschaltung gewährleisten kann.

Flutung elektrischer Anlagen durch Hochwasser – auf diese Schäden müssen Sie gefasst sein:

Die überwiegende Zahl aller elektrischen Anlagen ist in trockenen Räumen untergebracht. Die entsprechende Norm DIN VDE 0100-200 verlangt darüber hinaus, dass in solchen Räumen kein Kondenswasser auftritt und auch die Luft nicht mit Feuchtigkeit gesättigt ist. Entsprechend ist auch die IP-Schutzart der Bauteile zum Schutz vor Berührung, Staub und Wasser durch die Norm festgeschrieben. Damit ist leider sofort klar: Normale Elektroinstallationen und Schaltanlagen sind fast ausnahmslos auf den nicht bestimmungsgemäßen Zustand, der bei einer Flutwasserkatastrophe zwangsläufig eintritt, nicht im Mindesten vorbereitet. Es wirken damit äußere Einflüsse auf die Betriebsmittel und Anlagen, für die sie in keinster Weise ausgelegt sind.
Das Wasser dringt in die Gehäuse ein und schädigt die dort untergebrachten Betriebsmittel. Erfahrungen zeigen, dass aufgrund der Kapillarwirkung in den Kabeln das Schmutzwasser auch in Dosen, Kästen und andere Betriebsmittel eintritt, die eigentlich überhaupt nicht überflutet wurden und sich sehr entfernt von der Überflutung-Stelle befinden können. Im Wasser enthalten sind darüber hinaus Schmutz, Fäkalien und korrosiv wirkende Stoffe von nicht bekannter Zusammensetzung. Diese verbleiben auch nach dem Rückzug des Wassers in den Schutzschaltern und anderen Einbaugeräten, auf Kontakten, Isolierstoffen oder Klemmen. Ihre Wirkungen sind unterschiedlich und sehr vielfältig. Das bedeutet: Die Funktionssicherheit der nicht bestimmungsgemäß beeinflussten Schutzschaltgeräte und Isolierteile und so vor allem der Schutz gegen elektrischen Schlag, sind nicht mehr sichergestellt. Hinzu kommt: Unter Hochwassereinwirkung schalten Leitungsschutzsicherungen und andere Schutzschaltgeräte nicht mit Sicherheit ab. Betriebsmittel werden im sich erhitzenden Wasser regelrecht gekocht. Die Folgen sind dann auch äußerlich sichtbar.

Aus dieser kurzen Darstellung potentieller Schäden lassen sich bereits folgende Grundregeln bei der Wiederinbetriebnahme hochwassergeschädigter elektrischer Anlagen ableiten:

  1. Betroffene Anlagen müssen sorgfältig und vollumfänglich geprüft werden. In Unternehmen dürfen ausschließlich Elektrofachkräfte diese Überprüfung vornehmen. Betroffene Räume oder Bereiche des Unternehmens dürfen erst betreten werden, wenn die Elektrofachkraft die Räume freigibt. Privathaushalte wenden sich für eine Überprüfung in der Regel an den zuständigen Energieversorger.
  2. Nehmen Sie betroffene elektrische Anlage nur abschnittsweise wieder in Betrieb. Auch wenn Bewohner oder Betreiber auf eine schnelle Wiederinbetriebsetzung drängen – Sicherheit geht vor!
  3. Hersteller sind von der Gewährleistungspflicht für überflutete Betriebsmittel entbunden, denn es handelt sich bei Überflutungen um eine normwidrige Beanspruchung. Werden überflutete Betriebsmittel weitergenutzt, so übernimmt der Betreiber selbst die Verantwortung dafür, dass diese immer noch den Sicherheitsnormen entsprechen.

Was sich aus diesen Punkten en détail für die Prüfung und Erneuerung überfluteter elektrischer Anlagen ergibt, wird im Folgenden genauer erläutert.

Wiederinbetriebnahme von elektrischen Anlagen nach einem Hochwasser – darauf müssen Sie achten:

In letzter Konsequenz gibt es für den Umgang mit hochwassergeschädigten Anlagen keine speziellen Normen oder Richtlinien. Die Betreiber stehen dennoch, auch bei solchen Ausnahmesituationen, in der Pflicht, die Vorgaben einzuhalten, die im Energiewirtschaftsgesetz und in den Unfallverhütungsvorschriften der DGUV durch die entsprechenden DIN VDE Normen formuliert werden. Entscheidend ist hierbei die DIN VDE 0105 Teil 100 nach deren Vorgaben auch die Wiedereinschaltung einer durch Hochwasser überfluteten Anlage zu erfolgen hat. Die wichtigsten Punkte hierbei werden im Folgenden kurz erläutert:

  1. Spannungsfreiheit – Die überflutete Anlage muss während der Reparatur weiterhin gegen unbeabsichtigtes Einschalten gesichert bleiben: Die Leitungsschutzschalter und Hauptsicherungsautomaten müssen gesperrt werden. NH-Sicherungseinsätze sind zu entfernen und müssen so aufbewahrt werden, dass ein erneutes Einsetzen ausgeschlossen werden kann. Nur dadurch können Berührungen mit spannungsführenden Teilen während der laufenden Reparaturarbeiten sicher verhindert werden.
  2. Beschädigte Anlagenteile – Eigentümer sorgfältig beraten. In diesem Zusammenhang kommt leider, wie oben bereits erwähnt, dass für Hochwasserschäden spezifische Problem zum tragen, dass die (Neu)Errichter der beschädigten Anlagen sich nicht mehr auf die Gewährleistung der Hersteller der elektrischen Bauteile verlassen können. Trotz aller Hektik, die im Gegensatz zu regulären Instandsetzungsarbeiten, die Wiederinbetriebnahme von Anlagen nach einem Hochwasser erfahrungsgemäß prägen, ist eine sorgfältige Überprüfung und die großzügige Ersetzung von wichtigen Bauteilen essentiell in dieser besonderen Situation. Oft drängen Bewohner und Betreiber auf möglichst schnelle Wiederinbetriebsetzung auch dann, wenn die vorhandenen Bedingungen (Feuchte, Nässe, Zustand der Anlage) das in Frage stellen und angesichts der entstehenden finanziellen Aufwendungen bringen Eigentümer und Betreiber oftmals wenig Verständnis auf, wenn Betriebsmittel und Anlagenteile ausgewechselt werden müssen. Den Eigentümer in dieser Situation fachkundig zu beraten und mit ihm zusammen alle notwendigen Maßnahmen zu besprechen, die zur Wiederherstellung und zum sicheren Betrieb der Anlage notwendig sind, muss jetzt das wichtigste Anliegen der beauftragten Elektrofachkraft sein.
  3. Prüfung und Ersetzung – Ein erster Schritt ist selbstverständlich auch hier die Sichtprüfung. Bereits an äußerlich sichtbaren Mängeln ist die Notwendigkeit zum Auswechseln schnell und einfach erkennbar. Liegen hier keine erkennbaren Mängel vor, ist dies jedoch keine Bestätigung der Mängelfreiheit. Nur durch ein Öffnen der Betriebsmittel können die bereits erwähnten Auswirkungen des Hochwassers, in Form von Verschmutzung und Korrosion deutlich ans Tageslicht treten. Auch durch die nach DGUV Vorschrift 3 vorgeschriebenen Schritte zur Messung und Erprobung der Bauteile, können Hochwasser-Mängel nicht in jedem Fall sicher detektiert werden. Der Grund hierfür ist, dass nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, ob z.B. die Zeit/Strom-Kennlinien einer Überstromschutzeinrichtung noch eingehalten werden. Es besteht natürlich trotzdem die Möglichkeit das fachliche Wissen des Herstellers zu nutzen. Auch wenn keine Gewährleistung übernommen wird, so kann der Hersteller aus seiner Erfahrung doch wesentliche Hinweise geben und einschätzen, welche Mängel sich bei einer weiteren Nutzung ggf. einstellen können. Wenn keine Mängel erkennbar sind, ist zu empfehlen, von folgendem Grundsatz auszugehen: Betriebsmittel zur Gewährleistung des Schutzes von Mensch, Tier und Sachwert sind auszuwechseln, wenn sie überflutet worden sind. Dazu gehören Haupt-Sicherungsautomaten, LS-Schalter, FI-Schutzeinrichtungen (RCDs), Sicherungseinsätze im Niederspannungsnetz, Überspannungs-Schutzeinrichtungen und andere Betriebsmittel, die sich hier zuordnen lassen. Nach einer Überflutung lassen sich Schutzschaltgeräte vielleicht noch betätigen, evtl. aber nur für eine gewisse Zeit, deren Dauer sehr begrenzt sein kann. Wer solche Betriebsmittel an Ort und Stelle belässt, geht ein hohes Risiko ein, das für ihn recht teuer werden kann.

Fazit

Die Wiederinbetriebnahme einer überfluteten Elektroinstallation ist eine komplexe Herausforderung. Vor allem kommt es darauf an, auch versteckte Schäden, die nicht unbedingt durch die normgegebenen Prüfvorgaben innerhalb der ersten Prüfung vollständig aufgedeckt werden können genau im Blick zu behalten. Dies kann erreicht werden, indem:

  • Die Trocknung auch nach erfolgter Installation weiter fortgesetzt wird.
  • Eine regelmäßige Kontrolle der Betriebsmittel auf Korrosionserscheinungen eingeplant wird, inklusive der Prüfung des Isoliervermögens in Zeitabständen von vier bis sechs Wochen bis zum vollständigen Abschluss des Trocknungsprozesses.
  • Der Einbau von zusätzlichen FI-Schutzschaltern in Endstromkreisen (I∆n ≤30 mA)

Es empfiehlt sich außerdem nach der erfolgten Erstprüfung kürzere Zeitabstände für Wiederholungsprüfungen festzulegen.