Einhaltung von Freiflächen vor Schaltschränken – Ein zentrales Prüfkriterium der DGUV Vorschrift 3

Symboldbild Freifläche Schaltkasten

Freiflächen vor Schaltschränken – mehr als nur Platzbedarf

Die Gewährleistung von ausreichenden Freiflächen vor elektrischen Schaltanlagen und Schaltschränken ist ein zentrales Sicherheitskriterium in Industrie, Handwerk und Gewerbe. Diese Maßnahme dient nicht nur der Betriebssicherheit, sondern ist auch Bestandteil der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfung elektrischer Anlagen nach DGUV Vorschrift 3. Gerade im Störungsfall – etwa bei Lichtbogenbildung oder einem Kurzschluss – müssen Elektrofachkräfte die Möglichkeit haben, sich schnell und sicher vom Schaltschrank zu entfernen. Fehlende Bewegungsfreiheit kann hier lebensgefährlich werden.

Darüber hinaus spielt die Einhaltung dieser Freiflächen eine wichtige Rolle bei Instandhaltungsarbeiten und der sicheren Bedienung von elektrischen Anlagen. Die zuständigen Prüforganisationen, wie auch wir von DPS – Das Prüfunternehmen, achten im Rahmen der DGUV-Prüfung besonders darauf, ob die geforderten Mindestabstände eingehalten sind – unabhängig davon, ob es sich um Industrieanlagen, Gebäudeverteiler oder Zählerplätze handelt.

 

Zwei Praxisbeispiele: Wenn fehlende Abstände zu schweren Schäden führen

Verpuffung in einer Industrieanlage – mangelhafter Fluchtraum

In einem Fall aus Nordrhein-Westfalen kam es bei Wartungsarbeiten an einer Schaltanlage in einem Produktionsbetrieb zu einem Kurzschluss mit Lichtbogenbildung. Der Elektriker konnte aufgrund der engen Platzverhältnisse nicht rechtzeitig zurückweichen – die Türen des Schaltschranks öffneten sich beim Öffnen vollständig in seine Richtung. Die Folge waren schwere Verbrennungen am Oberkörper, die eine langwierige Gesundung in der Reha nach sich zogen. Die Berufsgenossenschaft stellte bei der Unfalluntersuchung fest, dass der Mindestabstand von 700 mm vor dem Schaltschrank nicht eingehalten war, obwohl dies laut DIN VDE 0100-729 verpflichtend gewesen wäre. Der Unfall wäre vermeidbar gewesen, wären Schutzmaßnahmen wie Prüfung von Absicherungen und korrekte Unterweisung von Mitarbeitern eingehalten worden, da sie anerkanntermaßen zur Unfallvermeidung beitragen. (Quelle: BG ETEM Unfallbericht, 2019).

Verletzt durch aufschlagende Tür – keine 500 mm Durchgangsbreite

In einem Handwerksbetrieb wurde ein Elektriker bei einem Stromausfall zu einer Verteilung im Lagerbereich gerufen. Beim Öffnen der Tür kam es zu einem plötzlichen Spannungsschlag. Da der Fluchtweg durch gestapelte Kartons versperrt war und der Abstand zur gegenüberliegenden Wand nur etwa 400 mm betrug, schlug die Tür gegen ihn zurück. Die Analyse der Sachverständigen zeigte, dass die DIN EN 60204-1 sowie die ASR A2.3 hier nicht eingehalten worden waren. Die Unfallversicherung bewertete den Vorfall als Organisationsverschulden. (Quelle: Elektrosicherheit WEKA, Fachbericht 2021).

 

Rechtsgrundlagen und ihre Auslegung

Die einzuhaltenden Mindestabstände vor Schaltschränken sind in mehreren Normen und Vorschriften verankert. Sie greifen ineinander und bilden die rechtliche Basis für die Bewertung im Rahmen der DGUV-Prüfung.

DIN VDE 0100-729:2010-02 – Errichten von Niederspannungsanlagen

Diese Norm enthält konkrete Anforderungen für Bedienungs-, Wartungs- und Instandhaltungsgänge in Betriebsstätten. Die Mindestbreite liegt in der Regel bei 700 mm, im Bereich von Bedienelementen mindestens 600 mm. Ein freier Durchgangsbereich von mindestens 500 mm ist im Bereich geöffneter Türen vorgeschrieben. Wichtig: Diese Werte gelten nicht für Flucht- oder Rettungswege – dafür gelten andere Regelwerke wie die ASR.

EN 60204-1 / DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1) – Sicherheit von Maschinen

Diese europäisch harmonisierte Norm regelt die elektrische Sicherheit an Maschinen. Auch wenn sie keine expliziten Abstände definiert, fordert sie eine sichere Zugänglichkeit für Wartung, Bedienung und Notabschaltung. Das bedeutet: Der Platz muss so bemessen sein, dass im Gefahrenfall ein schnelles Handeln möglich ist.

ASR (Technische Regeln für Arbeitsstätten)

Die ASR A2.3 („Fluchtwege und Notausgänge“) sowie die Arbeitsstättenverordnung (§ 3a ArbStättV) definieren die Anforderungen an Bewegungsflächen und Fluchtwege. Laut §24 ArbStättV müssen Arbeitsplätze mindestens 1,5 m² freie Bewegungsfläche bieten, mit einer Breite von mindestens 1 m.

VDE-AR-N 4100 – Technische Anschlussregeln für Zählerplätze

Insbesondere für Hausanschlüsse und Zählerplätze fordern die technischen Anschlussbedingungen (TAB) der Netzbetreiber eine Bedienungsfläche von mindestens 1,20 m. Diese Vorschrift ist verpflichtend für den Netzanschlussbereich – unabhängig vom Typ der Schaltanlage.

 

Wie Unternehmen die Einhaltung sicherstellen können

Um im Rahmen der DGUV-Prüfung keine Beanstandung zu riskieren, sollten Unternehmen folgende Maßnahmen umsetzen:

1. Planung und Dokumentation

Schon in der Planungsphase bei der Errichtung oder Einrichtung von Gebäuden müssen ausreichend Platzreserven vor Schaltanlagen berücksichtigt werden. Die Einhaltung der Mindestmaße sollte dokumentiert und Teil der Elektroplanung sein.

2. Sichtbare Markierung der Freiflächen

Eine effektive und zugleich einfache Maßnahme ist die Markierung der notwendigen Freiflächen am Boden mittels Warnstreifen, Piktogrammen oder Sicherheitsfarben nach ASR A1.3.

3. Schulung und Unterweisung

Das betriebliche Sicherheitspersonal und alle elektrotechnisch unterwiesenen Personen (EuP) müssen über die Bedeutung dieser Freiflächen unterrichtet werden. Das betrifft sowohl den täglichen Betrieb als auch Umbau- oder Reinigungsarbeiten.

4. Sensibilisierung von Mitarbeitern und Besuchern

Mitarbeiter und auch Besucher müssen regelmäßig auf die einzuhaltenden Freiflächen hingewiesen werden, z.B. durch entsprechende Hinweisschilder oder -aufkleber auf oder vor den Schaltschränken.

5. Regelmäßige Kontrolle durch Fachkundige

Im Rahmen von internen Audits oder Begehungen durch Sicherheitsbeauftragte sollte regelmäßig überprüft werden, ob die Abstände weiterhin eingehalten werden – z. B. ob Lagerware die Flächen versperrt.

6. Integration in das betriebliche Gefährdungsmanagement

Die Einhaltung von Mindestabständen sollte als fixer Punkt in die Gefährdungsbeurteilung nach § 3 ArbSchG und die Dokumentation der Prüfung nach § 5 BetrSichV aufgenommen werden.

 

Nur bedingte Prüfung der Freiflächen durch DPS – Das Prüfunternehmen

Wir von DPS – Das Prüfunternehmen führen hauptsächlich die elektrischen Prüfungen gemäß DGUV V 3 und 4 durch. Die Einhaltung der Freiflächenregelung sollte idealerweise durch einen zusätzlichen Sachverständigen durchgeführt werden. Alternativ kann dies auch durch eine Fachkraft für Arbeitssicherheit (FASI/Sifa) geschehen. 

Die Überprüfung beinhaltet konkret:

  • Zugänglichkeit und Bedienbarkeit von Schaltanlagen
  • Einhaltung der normativen Gangbreiten nach DIN VDE 0100-729
  • Berücksichtigung der ASR-Vorgaben für Arbeitsplätze
  • Kennzeichnung, Markierung und Zustand der Flächen

Die Prüfungen sollten nach dem aktuellen Stand der Technik durchgeführt, Mängel rechtssicher dokumentiert und konkrete Empfehlungen zur Mängelbeseitigung gegeben werden. Unternehmen profitieren von einer klaren, neutralen Bewertung durch externe Fachkräfte, vermeiden Schadenskosten und Haftungsrisiken und gewährleisten höchste Sicherheit für ihre Mitarbeitenden.

 

Fazit: Wer die Vorschriften kennt und anwendet, schützt Leben und schafft Rechtssicherheit

Die Freiflächenregelung vor Schaltschränken ist kein bürokratisches Detail, sondern ein lebenswichtiger Bestandteil der elektrischen Betriebssicherheit. Ob in Industrie, Gewerbe oder öffentliche Einrichtung: Nur wenn die gesetzlichen Mindestabstände eingehalten werden, kann im Störfall ein sicheres Arbeiten gewährleistet sein.

Unternehmen, die mit einem zertifizierten Prüfdienstleister wie uns zusammenarbeiten, sind auf der sicheren Seite. Denn im Rahmen der DGUV V3 Prüfung wird die Einhaltung der Abstände dokumentiert und normgerecht bewertet – ein wesentlicher Baustein für rechtskonformes Handeln und gelebte Sicherheitskultur.

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