Insbesondere die DGUV Vorschrift 3 (DGUV V3) rückt in den Fokus: Sie legt fest, dass alle elektrischen Anlagen und Betriebsmittel – darunter auch AC- und DC-Ladestationen – regelmäßig geprüft werden müssen, um den Schutz von Personen und die Betriebssicherheit dauerhaft sicherzustellen.
Dieser Beitrag erklärt praxisnah, warum Ladeinfrastruktur rechtlich als prüfpflichtige elektrische Anlage eingestuft wird, welche Normen dabei gelten, wer überhaupt prüfen darf und welche Risiken drohen, wenn Betreiber ihre Pflichten nicht beachten. Ziel ist es, Klarheit zu schaffen und Unternehmen konkrete Handlungsempfehlungen für einen sicheren und gesetzeskonformen Betrieb zu geben.
Rechtlicher und normativer Rahmen – was ist die Grundlage zur Prüfung von Ladeinfrastruktur und welche offenen Fragen gibt es dazu?
Mit dem Ausbau der Elektromobilität wächst auch die Zahl der Ladepunkte in Betrieben, auf Parkflächen und in öffentlichen Bereichen. Dabei wird oft übersehen: Jede Ladesäule und jede Wallbox ist eine elektrische Anlage im Sinne der Arbeitssicherheitsvorschriften – und damit prüfpflichtig. Die rechtliche Grundlage bildet die DGUV Vorschrift 3 (DGUV V3), die für alle elektrischen Betriebsmittel im gewerblichen Umfeld gilt. Ziel ist es, den Schutz von Personen und die Betriebssicherheit dauerhaft zu gewährleisten.
DGUV Vorschrift 3 als zentrale Betreiberpflicht
Ladepunkte gelten nach DGUV V3 als elektrische Betriebsmittel. Arbeitgeber und Betreiber sind somit verpflichtet, diese regelmäßig prüfen zu lassen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine kleine Wallbox im Firmenhof oder um eine DC-Schnellladesäule handelt – entscheidend ist die Nutzung im betrieblichen Umfeld.
Ein wesentlicher Punkt ist die Abgrenzung zwischen öffentlicher und nicht öffentlicher Ladeinfrastruktur. Während öffentliche Ladepunkte meist von Energieversorgern oder Betreibern großer Netzwerke betrieben werden, entstehen im gewerblichen Bereich zunehmend interne Ladeplätze – etwa auf dem Firmenparkplatz, im Mitarbeiterbereich oder für Kundenfahrzeuge. Auch hier greift die Prüfpflicht, sobald die Ladeinfrastruktur Teil der betrieblichen Nutzung ist.
Aktuell in der Fachdiskussion ist die Frage, ob ein Ladepunkt im Unternehmensbereich grundsätzlich als „ortsveränderlich“ oder „ortsfest“ gilt. Diese Einstufung ist relevant, weil sie über das Prüfverfahren, die Messmethodik und die Intervalle entscheidet. Während ortsfeste Anlagen in festen Abständen geprüft werden, müssen ortsveränderliche Geräte oft häufiger kontrolliert werden – ein wichtiger Aspekt, der in der Praxis noch nicht einheitlich bewertet wird.
Ebenfalls nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob die DGUV V3 auch auf private Wallboxen anzuwenden ist, die im Rahmen der unternehmerischen Nutzung betrieben werden – etwa bei Firmenwagen oder Leasingfahrzeugen. Hier hängt die Prüfpflicht stark vom Nutzungsumfang und der Zuordnung der Anlage zum Betrieb ab.
Schnittstellen zu DIN VDE und internationalen Normen
Neben der DGUV V3 spielen technische Normen eine zentrale Rolle, um den sicheren Aufbau und Betrieb von Ladeinfrastruktur sicherzustellen:
- DIN VDE 0100-722: regelt die Errichtung von Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge. Sie legt besonderen Wert auf den Personenschutz, etwa durch geeignete Fehlerstromschutzvorrichtungen (z. B. Typ B oder A-EV).
- DIN VDE 0105-100: beschreibt den Betrieb elektrischer Anlagen und konkretisiert, wer prüfen darf, wie Prüfintervalle festgelegt werden und welche Qualifikationen Prüfer besitzen müssen.
- ISO 15118 und IEC 61851: definieren die Kommunikationsschnittstellen zwischen Fahrzeug und Ladepunkt – beispielsweise bei „Plug & Charge“, beim Lastmanagement oder bei der Abrechnung von Ladevorgängen. Durch diese digitale Kommunikation entstehen neue Fehlerbilder, etwa bei Software- oder Netzwerkstörungen, die klassische Prüfverfahren bislang kaum erfassen.
Betreiberpflicht vs. Herstellerangaben
In der Praxis kommt es häufig zu Unsicherheiten, wenn Herstellerempfehlungen und DGUV-Vorgaben voneinander abweichen. Viele Hersteller geben Prüfintervalle von mehreren Jahren (z. B. alle vier Jahre) an, während die DGUV eine risikobasierte Festlegung verlangt – etwa jährlich oder halbjährlich bei starker Nutzung.
Wichtig ist die Unterscheidung:
- Herstellerempfehlungen beziehen sich in erster Linie auf den Gewährleistungs- und Produktkontext.
- DGUV-Prüfpflichten sind Teil der betrieblichen Verantwortung und damit haftungsrelevant für den Betreiber.
Die richtige Orientierung bietet daher immer die DGUV Vorschrift 3 in Verbindung mit einer Gefährdungsbeurteilung, die Nutzungsintensität, Standortbedingungen und technische Ausführung berücksichtigt. Nur so lässt sich die rechtssichere Prüffrist ableiten und die Betriebssicherheit gewährleisten.
Wer darf prüfen? – Kompetenz- und Qualifikationsdebatte
Die Frage, wer Ladeinfrastruktur rechtssicher prüfen darf, ist eines der meistdiskutierten Themen im Zusammenhang mit der DGUV Vorschrift 3. Während früher überwiegend klassische Elektroinstallationen im Fokus standen, stellen moderne Ladepunkte – insbesondere DC-Schnelllader – völlig neue Anforderungen an Prüfpersonal. Sowohl elektrische Schutzmaßnahmen als auch softwaregestützte Kommunikationsprozesse müssen fachgerecht bewertet werden. Daraus ergibt sich eine klare Anforderung: Ladeinfrastruktur darf nicht von beliebigem Prüfpersonal geprüft werden, sondern ausschließlich durch ausreichend qualifizierte Fachkräfte mit spezifischem Know-how im Bereich Elektromobilität.
Elektrofachkraft (EFK) vs. „befähigte Person“ nach TRBS 1203
Nach DIN VDE 0105-100 und der Technischen Regel für Betriebssicherheit TRBS 1203 müssen Prüfungen an elektrischen Anlagen von einer sogenannten „befähigten Person“ durchgeführt werden. Dies ist nicht automatisch jede Elektrofachkraft. Erforderlich sind:
- eine elektrotechnische Berufsausbildung oder gleichwertige Qualifikation,
- praktische Erfahrung mit elektrischen Anlagen,
- sowie eine spezifische Weiterbildung im Prüfbereich.
Bei Ladeinfrastruktur bedeutet dies: Eine allgemeine Ausbildung reicht nicht mehr aus, wenn die Prüfer keine Kenntnisse über Fehlerstromerkennung in DC-Systemen, Ladekommunikation nach ISO 15118 oder Leistungselektronik besitzen.
Kontrovers in der Fachwelt diskutiert wird, ob jeder Prüfer nachweisen können muss, dass er die Kommunikationsschnittstelle und digitale Fehlerdiagnose eines Ladepunktes versteht oder ob die klassische elektrotechnische Ausbildung als ausreichend gilt.
Die Unterschiede zwischen einer konventionellen Steckdose und einem modernen DC-Hypercharger könnten kaum größer sein:
- Eine Steckdose liefert ein festes AC-Netz ohne Kommunikation.
- Ein DC-Ladepunkt arbeitet mit hoher Leistung, isolationsüberwachter Spannung und bidirektionaler Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladestation.
Unser Fazit: Ladeinfrastruktur erfordert erweitertes Fachwissen. Der Titel „Elektrofachkraft“ alleine ist nicht ausreichend, wenn keine Kenntnisse in der spezifischen Technologie vorhanden sind.
Drittanbieterprüfung vs. Betreiberverantwortung
Viele Unternehmen lagern die Prüfung der Ladeinfrastruktur an externe Dienstleister aus. Grundsätzlich ist dies erlaubt – aber nicht haftungsbefreiend. Die Verantwortung bleibt immer beim Betreiber.
Ein zentrales Missverständnis zur Betreiberverantwortung lautet:
„Wenn ich ein Messprotokoll vorweisen kann, bin ich rechtlich abgesichert.“
– Das ist falsch.
Ein Messprotokoll ist lediglich der Nachweis der Durchführung, nicht der Nachweis der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen. Die Prüfperson muss nicht nur messen, sondern bewerten können, ob die Schutzfunktion der Ladeeinrichtung tatsächlich gewährleistet ist.
Das bedeutet:
- Der Betreiber muss sicherstellen, dass der Dienstleister qualifiziert ist.
- Er muss das Prüfergebnis verstehen oder zumindest nachvollziehbar dokumentiert bekommen.
- Unklare Prüfberichte oder fehlende Funktionsnachweise sind ein erhebliches Risikopotenzial.
Praktisches Beispiel:
Wird ein Fehlerstromschutzgerät (RCD Typ B) falsch eingestellt oder nicht ausgelöst, nützt ein Messprotokoll ohne Bewertung nichts. Kommt es zu einem Personenschaden, haftet der Betreiber – auch wenn ein externes Unternehmen die Prüfung durchgeführt hat.
Die Prüfung von Ladeinfrastruktur ist keine reine Messaufgabe, sondern eine sicherheitstechnische Bewertung. Nur befähigte Personen mit spezifischem Know-how im Bereich E-Mobilität dürfen diese Verantwortung übernehmen. Unternehmen müssen aktiv sicherstellen, dass Prüfungen mit der erforderlichen Kompetenz durchgeführt und dokumentiert werden – unabhängig davon, ob intern oder extern geprüft wird.
Prüfintervalle und Prüfarten – wie oft und auf welche Weise müssen Ladepunkte geprüft werden?
Die Festlegung von Prüfintervallen gehört zu den zentralen Betreiberpflichten nach DGUV V3 und DIN VDE 0105-100. Ziel ist es, sicherzustellen, dass Ladeinfrastruktur jederzeit betriebssicher ist und Personen vor elektrischen Gefahren geschützt werden. Dabei kommt es nicht allein auf starre Vorgaben an – vielmehr müssen die Prüfintervalle risikoorientiert ermittelt werden. Entscheidend sind dabei Bauart, Einsatzbereich und Belastung der Ladepunkte.
AC-Wallbox vs. DC-Schnellladepunkt – unterschiedliche Anforderungen, unterschiedliche Intervalle
Ladepunkte lassen sich grundsätzlich in zwei technische Kategorien einteilen: AC-Ladepunkte (Wechselstrom) und DC-Schnellladesysteme (Gleichstrom). Beide unterliegen der Prüfpflicht, unterscheiden sich jedoch erheblich in Technik, Fehleranfälligkeit und Prüfaufwand.
| Parameter | AC-Ladepunkt (bis 22 kW) | DC-Schnellladepunkt (bis 350 kW) |
| Prüfart | Elektrotechnische und funktionale Prüfung | Elektrische, softwarebasierte und netzwerkbezogene Prüfung |
| Typisches Prüfintervall | 12–24 Monate | 6–12 Monate |
| Zusätzliche Anforderungen | Fehlerstromschutz Typ A-EV oder Typ B | Isolationsüberwachung, Kommunikationsprüfung nach ISO 15118 |
AC-Wallboxen sind technisch weniger komplex und damit in der Wartung weniger aufwendig. Dennoch ist die Prüfung nicht optional: Fehlerstromschutz und Ladefunktion müssen regelmäßig überprüft werden.
DC-Schnellladestationen hingegen arbeiten mit hohen Spannungen und Strömen, verfügen über komplexe Leistungselektronik und digitale Kommunikationsschnittstellen. Daraus ergeben sich erweiterte Prüfanforderungen – insbesondere in Bezug auf Isolationswiderstand, thermische Belastung und die sichere Fahrzeugkommunikation.
Grundsatz: Je höher die Ladeleistung und je komplexer die Technik, desto kürzer das Prüfintervall.
Einflussfaktoren für die Festlegung der Prüfintervalle
Die DGUV V3 schreibt keine festen Intervalle vor, sondern fordert eine Gefährdungsbeurteilung. Diese muss die tatsächliche Nutzung und die Umgebungsbedingungen berücksichtigen. Insbesondere folgende Faktoren beeinflussen die Prüfzyklen:
- Standortbedingungen:
Ladepunkte im Außenbereich sind Witterung, Temperaturschwankungen und möglicherweise Vandalismus ausgesetzt. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit technischer Defekte und damit der Prüfbedarf. - Nutzungsintensität (Frequentierung):
Öffentliche Ladepunkte oder Ladeinfrastruktur mit hoher Auslastung (z. B. in Logistikzentren, Fuhrparks, Hotelparkplätzen) unterliegen einem höheren Verschleiß. Bei privater oder betriebsinterner Nutzung mit geringerer Belastung kann das Intervall verlängert werden – sofern die Gefährdungsbeurteilung dies zulässt. - Ladeleistung:
Hohe Ströme erzeugen Wärme – und Wärme führt zu Materialermüdung. Besonders bei DC-Schnellladern sind Überhitzung und Kontaktverschleiß häufige Fehlerbilder, was kürzere Prüfzyklen erfordert. - Kosten- und Haftungsdruck:
Jede Prüfung kostet Zeit und Geld – gleichzeitig steigen die gesetzlichen Anforderungen an die Betreiberhaftung. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, Wirtschaftlichkeit und Rechtssicherheit in Einklang zu bringen.
Praxisempfehlung:
Regelmäßige Sichtkontrollen (durch den Betreiber) sollten die jährliche Prüfung durch eine befähigte Person ergänzen. So lassen sich Ausfälle vermeiden und Prüfintervalle dokumentiert begründen.
Prüfintervalle sind kein starres Regelwerk, sondern Ergebnis einer fundierten Gefährdungsbeurteilung. Betreiber müssen genau einschätzen, welchen Belastungen ihre Ladeinfrastruktur ausgesetzt ist – und entsprechend prüfen lassen. Wer sich hier allein auf Herstellerangaben verlässt, riskiert nicht nur technische Ausfälle, sondern im Ernstfall auch haftungsrechtliche Konsequenzen.
Typische Mängel bei Prüfungen – was Ladeinfrastruktur aktuell unsicher macht
Die zunehmende Anzahl an Prüfungen von Ladepunkten in den Jahren 2023 und 2024 zeigt deutlich: Viele Ladesäulen und Wallboxen verfehlen die Anforderungen an die elektrische Sicherheit und Betriebssicherheit. Dabei treten immer wieder ähnliche Fehlerbilder auf – sowohl auf technischer als auch auf organisatorischer Ebene. Diese Mängel sind nicht nur ein Risiko für Personen und Sachwerte, sondern gefährden auch die Rechtssicherheit des Betreibers.
Technische Mängel – häufige Ursachen für Sicherheitsrisiken
Bei der Prüfung von Ladeeinrichtungen fallen regelmäßig technische Defekte oder Fehlplanungen auf, die die Schutzfunktion erheblich beeinträchtigen:
- Defekte oder falsch dimensionierte Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen
Statt eines Fehlerstromschutzschalters Typ B oder Typ A-EV sind häufig ungeeignete Schutzgeräte verbaut. Bei Gleichstromanteilen, wie sie beim Laden von Elektrofahrzeugen auftreten, kann dies zum Versagen der Schutzfunktion führen. - Fehlkonfiguration im Lastmanagement
Ein nicht abgestimmtes oder falsch programmiertes Lastmanagement führt zu Überlastsituationen. Dies kann zur Überhitzung von Bauteilen und in Extremfällen zu Bränden führen. - Kommunikationsabbrüche zwischen Fahrzeug und Ladesystem
Unterbrechungen in der Kommunikationsschnittstelle nach ISO 15118 oder IEC 61851 führen nicht nur zu Abbrüchen des Ladevorgangs, sondern häufig auch zu fehlerhaften Abrechnungsprozessen. Im gewerblichen Umfeld kann dies juristisch relevant werden. - Fehler im Schutzleiter oder Isolationsmessung
Durch Korrosion oder Montagefehler ist der Schutzleiter häufig nicht durchgängig oder der Isolationswiderstand unterschreitet die Mindestwerte. Dies stellt ein unmittelbares Risiko für den Personenschutz dar. - Kabelverschleiß durch falsche Benutzerführung
Besonders bei Wallboxen mit Kabelaufwicklung oder ungeschützter Steckerverwahrung kommt es zu Materialermüdung. Abgenutzte Kabel stellen ein hohes Brand- und Stromschlagrisiko dar.
Organisatorische Mängel – unterschätzte Gefahrenquelle
Nicht nur technische Fehler, sondern vor allem organisatorische Versäumnisse führen zu Beanstandungen und rechtlichen Risiken:
- Fehlende oder unvollständige Dokumentation der Erstprüfung
Viele Ladepunkte werden in Betrieb genommen, ohne dass die gesetzlich geforderte Erstprüfung nach DGUV V3 dokumentiert wurde. Ohne diese Dokumentation ist die gesamte Prüf- und Haftungskette lückenhaft. - Prüfprotokolle im Herstellerformat statt nach DGUV-Anforderungen
Herstellerprotokolle dokumentieren häufig nur Funktionsdaten – nicht aber den Nachweis der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen. Sie sind daher allein nicht rechtskonform. - Unklare Zuständigkeiten zwischen Facility Management und Flottenmanagement
In vielen Unternehmen ist nicht eindeutig geregelt, wer Betreiberverantwortung trägt. Ladepunkte fallen oft zwischen die Zuständigkeitsbereiche, was zu Prüflücken und mangelhafter Wartung führt.
Typische Prüfungsmängel zeigen klar: Technische Qualität allein reicht nicht aus. Nur wenn Ladeinfrastruktur nach klaren betrieblichen Prozessen betrieben, dokumentiert und überwacht wird, kann sie sowohl sicher als auch rechtskonform genutzt werden. Wer hier versäumt zu handeln, riskiert Ausfälle, Betriebsstillstand – und im Ernstfall persönliche Haftung.
Zukunftsthemen – wohin entwickelt sich die Prüfpflicht für Ladeinfrastruktur?
Mit dem technologischen Fortschritt steigen auch die Anforderungen an Betreiber von Ladeinfrastruktur. Zukünftige Entwicklungen zeigen deutlich: Ladepunkte werden Teil vernetzter Energiesysteme, kommunizieren mit Fahrzeugen und Stromnetzen und übernehmen Aufgaben in der Netzstabilisierung. Damit verändert sich der Fokus der Prüfpflichten – von rein elektrotechnischen Messungen hin zu einer umfassenden Funktions-, Kommunikations- und IT-Sicherheitsbewertung.
Integration in Energiemanagementsysteme (ISO 50001)
Immer mehr Unternehmen integrieren ihre Ladeinfrastruktur in zentrale Energiemanagementsysteme, beispielsweise nach ISO 50001. Ladepunkte werden dabei nicht mehr als einzelne Geräte betrachtet, sondern als regelbare Verbraucher, die bei Lastspitzen automatisch heruntergeregelt oder für netzdienliche Zwecke genutzt werden.
- Folge: Ladepunkte beeinflussen aktiv die Netzstabilität und müssen jederzeit funktionstüchtig und regelbar sein.
- Neue Prüfanforderung: Nicht nur die elektrische Sicherheit, sondern auch die Funktionsfähigkeit der Kommunikations- und Steuertechnik muss regelmäßig überprüft werden.
Zentrale Frage: Wird die Ladeinfrastruktur künftig Teil der „kritischen Energieinfrastruktur“ eines Unternehmens und damit besonders prüfpflichtig?
Künstliche Intelligenz in der Fehlerdiagnose
Moderne Ladepunkte verfügen zunehmend über KI-gestützte Diagnosesysteme und digitale Zwillinge, die den Zustand der Komponenten permanent überwachen und Anomalien erkennen.
- Diskussion: Kann diese digitale Selbstüberwachung die klassische Prüfung ersetzen?
- Technischer Vorteil: Frühwarnsysteme für Isolationsfehler, Temperaturanstiege oder Kommunikationsabbrüche könnten Prüfintervalle optimieren.
- Rechtliche Bewertung: Nach aktuellem Stand gilt eindeutig:
„Selbstüberwachung ersetzt nicht die wiederkehrende Prüfung durch eine befähigte Person.“
KI kann unterstützen, aber nicht die Betreiberverantwortung ablösen.
Betreiberpflichten beim bidirektionalen Laden (Vehicle-to-Grid)
Mit dem kommenden Hochlauf bidirektionaler Ladefunktionen wird die Ladeinfrastruktur nicht nur Verbraucher, sondern auch Energieerzeuger. Fahrzeuge speisen Strom zurück ins Netz oder in Gebäude – eine technische Revolution mit sicherheitsrelevanten Konsequenzen.
- Erhöhtes Gefahrenpotenzial: Rückspeisende Systeme erfordern zusätzliche Schutzmechanismen zur Vermeidung von Rückspannungen und Netzinstabilitäten.
- Neue Normen: Die IEC 61850-90-8 befindet sich in Entwicklung und soll den sicheren Betrieb bidirektionaler Ladestationen regeln.
- Prüfrelevanz: Bidirektionale Ladepunkte unterliegen einer erweiterten Prüfpflicht, da sie aktiv Energiefluss beeinflussen.
EU-Cybersicherheitsanforderungen – Cybersecurity wird prüfpflichtig
Die Norm ISO 15118-20 führt verpflichtende Cybersicherheitsmechanismen ein, inklusive Zertifikatsmanagement, Verschlüsselung und gesicherter Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladepunkt. Ziel ist der Schutz vor Manipulationen und Datenmissbrauch.
- Neue Herausforderung: Mit der Digitalisierung wird die Ladeinfrastruktur zu einem potenziellen Angriffspunkt im Unternehmensnetzwerk.
- Fachliche Diskussion: Werden künftig IT-Sicherheitsprüfungen ein integraler Bestandteil der DGUV-V3-Prüfung?
Tendenz: Es ist absehbar, dass die Prüfung von Ladeinfrastruktur sich nicht mehr auf reine Elektrosicherheit beschränkt, sondern auch die digitale Systemintegrität bewerten muss.
Die Zukunft der Ladeinfrastruktur ist intelligent, vernetzt und bidirektional – doch mit jedem technologischen Fortschritt steigt auch die Verantwortung der Betreiber. Wer bereits heute auf umfassende Prüf- und Dokumentationskonzepte setzt, schafft die Grundlage für Rechtssicherheit und Betriebssicherheit im Zeitalter der Smart Mobility.
Worüber die Branche jetzt sprechen muss
Die zunehmende Komplexität von Ladeinfrastruktur bringt nicht nur technische, sondern auch strategische und rechtliche Fragen mit sich. In Fachkreisen entstehen daher neue Debatten, die zeigen: Die bisherigen Prüfkonzepte stoßen an ihre Grenzen, und die Verantwortung der Betreiber wird neu verhandelt.
- „Ladepunkt ist keine Steckdose“ – warum traditionelle DGUV-Prüfkonzepte nicht mehr ausreichen
Ladeinfrastruktur ist ein cyber-physisches System aus Elektrotechnik, Kommunikation und Software. Eine Prüfung nach klassischen Methoden für ortsfeste Elektroanlagen deckt die neuen Risikopotenziale nicht vollständig ab. Fachleute fordern daher ein eigenes Prüfregime für Ladepunkte – vergleichbar mit dem für medizinische Geräte. - „Prüfchaos in Unternehmen – wer trägt die Verantwortung?“
Zwischen Facility Management, IT-Abteilung und Fuhrparkleitung ist oft nicht klar geregelt, wer die Betreiberverantwortung nach DGUV V3 trägt. Diese Unklarheit führt zu gefährlichen Prüf- und Dokumentationslücken. Die Forderung: Unternehmen brauchen klare Verantwortlichkeitsstrukturen und interne Prozesse für Ladeinfrastruktur. - „Software-Update als Sicherheitsrisiko – muss jede Firmware-Aktualisierung geprüft werden?“
Moderne Ladesysteme erhalten regelmäßige Over-the-Air-Updates. Diese können die Schutzfunktionen oder das Lastmanagement beeinflussen. Branchenexperten diskutieren daher, ob nach jedem Update eine Funktionsprüfung nach DGUV V3 erforderlich ist – ähnlich der Validierung bei medizinischen Geräten oder sicherheitsrelevanten Industrieanlagen. - „DC-Ladesäulen als Medizinprodukte der Mobilität – hochkritische Infrastruktur ohne Prüftransparenz“
DC-Schnellladestationen arbeiten mit Leistungen bis 350 kW und verfügen über komplexe Regeltechnik. Fehler können unmittelbar zu Gefahren für Personen oder zur Netzinstabilität führen. Dennoch gibt es bislang kein einheitliches Prüfverfahren mit verbindlichen Mindestanforderungen. Kritiker vergleichen diese Infrastruktur bereits mit sicherheitskritischen Systemen im Gesundheitswesen. - „Digitalisierung vs. Fehlersicherheit – ist Plug & Charge Fluch oder Segen?“
Plug & Charge nach ISO 15118 vereinfacht den Ladevorgang und erhöht den Komfort – birgt aber neue Risiken: Was passiert, wenn Kommunikationsprotokolle gestört sind oder Zertifikate kompromittiert werden? Die Frage lautet: Erhöht die Digitalisierung die Sicherheit durch Automatisierung – oder schafft sie eine neue Angriffsfläche, die traditionelle Prüfmethoden nicht erfassen?
Diese Diskussionslinien zeigen: Die Ladeinfrastruktur der Zukunft erfordert nicht nur technische Kompetenz, sondern auch ein neues Verständnis von Betreiberpflichten, Cybersecurity und Systemverantwortung. Wer heute darüber spricht, gestaltet aktiv die Standards von morgen.