Root Cause Analyse

In diesem Beitrag geht es um wichtige Methoden der Fehleranalyse. Gerade nach schweren Unfällen ist eine Ursachenanalyse oft schon aus juristischen Gründen notwendig. Aber auch kleine Unfälle, bei denen zum Glück nicht viel passiert ist, bilden hier wichtiges Analysematerial. Das wichtigste Konzept in diesem Zusammenhang ist die sogenannte “root cause analyse”.

 

Tragische Elektrounfälle

Manche Elektrounfälle sind ganz besonders tragisch und schwerwiegend. Ein Beispiel dafür ist der Tod des vierjährigen Jonathan vor zwei Jahren. Der Junge kam in einem Supermarkt in Hamburg mit einem stromdurchflossenen Geländer im Kassenbereich in Berührung. In Folge einer Körperdurchströmung erlitt das Kind einen Herzinfarkt, an dessen Folgen es einen Tag später im Krankenhaus verstarb. Anfang letzten Monats begann die Gerichtsverhandlung zu diesem bestürzenden Ereignis. Angeklagt sind die Betreiber des Supermarktes, wegen fahrlässiger Tötung. Die Verteidigung hat demgegenüber angekündigt, auf einen Freispruch hinwirken zu wollen, da die Betreiber über die unzureichenden Sicherheitsstandards ihrer Elektroinstallationen nicht informiert gewesen sein sollen.

 

Die Schuldfrage und das menschliches Versagen

Die Diskrepanz der Auffassungen darüber, wer an dem tragischen Unfall die Schuld trägt, mag gerade im vorliegenden Fall fast zynisch anmuten. Tatsächlich jedoch kann und sollte man sie als Symptom eines wichtigen Problems auffassen, das im Hintergrund derartiger Ereignisse immer besteht. Jeder Unfall, natürlich auch jeder Elektrounfall, sind Ereignisse, die aus einem komplexen Geflecht von Ursachen heraus entstehen.

Solche Ursachen können beispielsweise sein:

 

  • Unsachgemäße Ausführung von Elektroinstallationen
  • Unkenntnis oder fehlendes Verantwortungsbewusstsein, wenn es darum geht die Ausführung solcher Arbeiten zu überprüfen bzw. sie von vornherein umsichtig zu beauftragen
  • Fehlende Kenntnisse bezüglich der erste Hilfe Maßnahmen bei Elektrounfällen
  • Menschliches Versagen allgemein
  • Fehlende Aufmerksamkeit oder unzureichende Sensibilisierung von nicht unmittelbar verantwortlichen Personen, die dennoch das Geschehen mitverfolgen und beeinflussen können.

 

Anstatt sich ausschließlich im Nachhinein eines schweren Unfallgeschehens über die Verantwortlichkeiten zu streiten, so wichtig dies auch sein mag, wäre es weitaus konstruktiver, sich zu überlegen wer und was dazu hätte beitragen können, den Unfall bzw. Unfälle allgemein, von vornherein zu verhindern. Der Allgegenwart von elektrischen Anlagen in unserer modernen Gesellschaft steht leider immer noch ein insgesamt unzureichendes Maß an Gefahrenbewusstsein im Umgang damit gegenüber. Es ist kaum anders zu erklären, dass seit Jahrzehnten die immer gleichen Unfallursachen die Unfallstatistiken anführen.

 

Wirksame Prävention

Die Komplexität des Ursachengeflechts schwerer Unfälle lässt sich besonders gut an den gleichermaßen oft stiefmütterlich behandelten Beinahe-Unfällen illustrieren. Dass ein Fehlerstrom in einem Geländer oder einem Gehäuse nicht die alleinige Ursache eines schweren Unglücks ist, lasst sich leicht einsehen, wenn man sich klar macht, wie ein schwerer Unfall trotz vorliegen eines Fehlerstroms unter Umständen hätte verhindert werden können. Aufmerksame Mitarbeiter hätten auf die, laut Staatsanwaltschaft auch für Laien erkennbare dilettantisch ausgeführten Elektroinstallationen, aufmerksam machen können und schon aus den eigenen Sicherheitsinteressen heraus auf eine umgehende Instandsetzung drängen können. Die Betreiber hätten durch regelmäßige Kontrollen derartige Fehlerquellen ausschalten können. Mehr Umsicht bei der Beauftragung des Elektroinstallateurs hätte die Gefahr von vornherein gebannt. Nicht zuletzt die richtige Form der ersten Hilfe hätte das schlimmste verhindern können. Laut einigen Zeitungsberichten wurde der Junge lediglich in die stabile Seitenlage verbracht und es vergingen 20 min bis eine Wiederbelebung durch den Notarzt erfolgte. Obwohl allen Beteiligten offensichtlich klar war, dass eine Körperdurchströmung stattgefunden hatte, tat niemand das einzig richtige in diesem Fall – eine sofortige Herz-Druck Massage. Dass in Unfall-Kontexten gerne als finale Ursache herangezogene berühmt berüchtigte menschliche Versagen, ist in der Regel weder ausschließlich das Versagen einzelner noch fällt es vom Himmel. Menschliches Versagen hat immer seine Ursachen die sich institutionell wirksam bekämpfen lassen. Natürlich muss man sich dafür dezidiert mit der genauen Struktur des vorliegenden Versagens auseinandersetzen, sowohl nach schweren Unfällen, als auch und besonders nach Ereignissen, bei denen nochmal “alles gut gegangen ist” und selbstverständlich auch präventiv. Man darf sich keinesfalls damit zufriedengeben, dass ein Akteur des Unfallgeschehens unaufmerksam war, sondern muss sich immer auch fragen Warum der Akteur unaufmerksam war. Nur so deckt man Schwachstellen im Hintergrund auf, die sonst dafür sorgen können, dass sich die fehlende Aufmerksamkeit bei anderen Akteuren reproduziert.

 

Ganzheitliche Unfallanalyse – Root Cause Analyse

Oft steht wie gesagt bei der Analyse von Unfällen die Frage im Vordergrund, Wie genau der Unfall passiert ist, um herauszufinden Wer in letzter Konsequenz verantwortlich war, um denjenigen zur Verantwortung zu ziehen. Die wichtigste Frage Warum der Unfall sich in dieser Form ereignen konnte und welche (institutionellen) Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit sich mit dem nächsten Verantwortlichen nicht ein gleicher oder ähnlicher Fall reproduziert, wird oft nicht genügend beachtet. Die Unfallursache genau zu bestimmen und für die Zukunft auszuschließen ist auf lange Sicht sehr viel wichtiger als den Schuldigen zu bestimmen und zur Verantwortung zu ziehen. Aus Fehlern zu lernen ist wichtiger als Fehler zu bestrafen!

Für genau diese Fragestellungen und deren systematische erfolgreiche Beantwortung gibt es das Instrument der Root Cause Analyse. Eine solche Analyse folgt den folgenden fünf Grundsätzen:

 

  1. Thema sind hier nicht ausschließlich Unfälle, also Ereignisse, in denen ein Menschen tatsächlich körperlich verletzt wurden. Eine Analyse ist auch vorzunehmen bei allen Beinahe-Unfällen, sicherheitsrelevanten Störungen, Schadensereignissen und solchen Fällen, in denen nur der Zufall oder glückliche Umstände das Schlimmste  verhindert haben.
  2. Bei der Ursachensuche sind immer alle involvierten Faktoren, wie Technik, Arbeitsmittel, Arbeitsorganisation und menschliches Verhalten zu analysieren. Gefährdungen entstehen eben  oft erst oder werden verschärft durch das Zusammenwirken mehrerer Faktoren.
  3. Es geht nicht nur um die augenscheinlichen Ursachen eines Unfalls. Diese können in einem Missachten von Sicherheitsvorschriften liegen oder im Versagen eines Bauteils. Doch das ist erst die halbe Wahrheit. Denn die eigentliche Unfallursache liegt oft tiefer und wird unter Umständen weitere Unfälle provozieren.
  4. Es geht darum, Unfälle nicht als schicksalgegeben hinzunehmen und nach Feststellen einer vordergründigen Kausalität zu den Akten zu legen, sondern systematisch zu analysieren, um Schwachstellen in den Sicherheits-Bestrebungen des Betriebs zu finden.
  5. Ziel ist stets, aus einem Unfall zu lernen, um Wiederholungen zu vermeiden. Das kann bedeuten, bestehende technische Schutzmaßnahmen zu überprüfen und zu verbessern. Das kann aber auch dazu führen, Ausbildung, Unterweisungen, Arbeitsmethoden oder betriebliche Abläufe usw. zu optimieren und weiterzuentwickeln.

 

Tagtäglich kommt es in deutschen Betrieben zu sogenannten Beinahe-Unfällen, die in keiner Statistik auftauchen und daher oft keine Konsequenzen haben. Dabei könnte man genau aus diesen Beinahe-Unfällen viel lernen, wenn man sie als Warnung versteht und den Ursachen genauso konsequent nachgeht wie es bei einem Unfall selbstverständlich ist, bei dem es fatalerweise zu Personenschäden kommt. Ermutigen Sie Ihre Mitarbeiter, auch Beinahe-Unfälle, vermeintlich folgenlose Stromschläge und Ähnliches zu melden. Niemand sollte kritisiert oder herabgewürdigt werden, wenn er z.B. einen „Wischer“ offen dem Vorgesetzten meldet. Im Gegenteil, Ehrlichkeit und Verantwortungsbewusstsein müssen unbedingt positiv verstärkt werden. Denn was diesmal gut ausging, könnte beim nächsten Mal oder unter anderen Umständen für einen Menschen tödlich enden, wie bei dem kleinen Jonathan.

 

Fazit

Eine genaue Analyse von Unfallursachen ist die wichtigste und beste Strategie weitere Unfälle zu vermeiden. Ein wichtiges Werkzeug dafür bildet die Root Cause Analyse. Vor allem ist es wichtig auch kleine und Beinahunfälle sorgfältig zu analysieren. Die Erkenntnisse derartiger Analysen sollten auch in der entsprechenden Gefährdungsbeurteilung einen Niederschlag finden. Im Zuge unserer Beratungsangebote können wir sie auch in dieser Angelegenheit professionell unterstützen!
 
 
 
 
DPS – Das Prüfunternehmen — Deutsches Handwerk verknüpft mit modernem Management
Weitere Informationen, um Elektrische Anlagen und Geräte rechtssicher, effizient und mit Mehrwert nach DGUV 3 zu prüfen finden Sie außerdem in unserem Wiki zur DGUV Vorschrift 3